Liebe Leute, es ist soweit – „Weil wir längst woanders sind“ ist in der Welt, man kann es in Buchläden sehen, streicheln und kaufen. Ich habe die letzten Tage auf der Leipziger Buchmesse verbracht und dem kleinen Buch dabei geholfen, seine ersten Schritte zu gehen.
Und weil bisher so viel Tolles rundum Längst Woanders passiert sind, will ich euch gern dran teilhaben lassen. Hier mal eine kleine, ausgewählte Presseschau.
Apropos Radio – Gesa Wegeng, Büchererxpertin bei 1Live, hat mich mit ihrer Besprechung ja fast aus den Socken gehauen … DANKE!! Kleiner Sneak-Peak zu meiner Lesung bei 1Live Klubbing im Mai.
Es war alles fantastisch, groß und irgendwie noch immer ziemlich unfassbar. Mein wundervoller Verlag hat mein Bild riesig aufgeblasen und auf eine Säule geklebt – da wird einem dann schon mal schwummerig.
DuMont Messestand
Ansonsten sage ich Danke an alle, die sich gemeldet haben mit freundlichen Worten, alle, die bei Lesungen waren, zugehört haben, sich interessieren und kluge Fragen stellen. Die Reise geht jetzt erst los.
Die Nachrichten aus Gaza sind derzeit zugunsten anderer Brandherde auf der Welt ein wenig in den Hintergrund gerückt.
Trotz allem hat sich die Lage für die Menschen dort nicht verbessert. Im Gegenteil. Wir dürfen das nicht vergessen. Ein Ende der Israelischen Belagerung und der Angriffe ist nicht in Sicht.
Ich habe mich in letzter Zeit einige Male rechtfertigen müssen für mein Engagement, dafür, dass ich auf Demos gehe und ab und zu an dieser Stelle Position beziehe. Dazu möchte ich nichts weiter sagen außer dies: Ich sympathisiere keinesfalls und unter keinen Umständen mit den Verbrechern und Fanatikern der Hamas. Ihre Ideologie, Rhetorik und Handeln sind in meinen Augen ebenso verabscheuenswert wie die Ideologie, Rhetorik und Handeln der israelischen Regierung. Es gab in den letzten Wochen zum Glück genug Texte und Artikel und Berichte von Künstlern, Reportern und Autoren, die von beiden Seiten her versuchen, zu erklären, dass das Gros der Menschen in den betroffenen Gebieten das ebenso sieht. Hier sind einige der meiner Ansicht nach besten Texte, die ich in den letzten Wochen dazu gelesen habe, von dem israelischen Autor Etgar Keret, vom arabisch-israelischen Schriftsteller Sayed Kashua und ein Interview mit Daniel Barenboim.
Und für die Menschen, nicht für die Politik und den Machterhalt steht auch das Gedicht „عن إنسان“ des großen palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish. Es galt damals nicht explizit den Menschen von Gaza, sondern dem Palästinensischen Volk. Wenn ich es lese, oder und vor allem in der wunderschönen Vertonung der bezaubernden palästinensischen Sängerin Nai Barghouti höre, denke ich, Mahmoud Darwish würde es heute auch den Menschen von Gaza widmen wollen.
Über den MenschenÂ
Sie legten Ketten um seinen Mund
Und fesselten seine Hände an den Fels des Todes.
Und sagten: Du bist ein Mörder!
Sie nahmen ihm sein Essen und die Kleider und die Banner
Und warfen ihn in die Todeszelle.
Und sagten: Du bist ein Dieb!
Sie schnitten ihn von allen Häfen ab,
nahmen ihm seinen kleinen Liebling und sagten dann: Du bist ein Flüchtling!
Oh blutige Augen und Hände!
Die Nacht ist nicht unendlich.
Keine Zelle ist ewig, und auch nicht der Griff der Ketten!
Nero starb, doch Rom vergeht nicht … Sie kämpft mit ihren Augen!
Vor einer Weile zeigte mir ein ägyptischer Freund in Berlin den wunderbaren Film „Tracks of Cairo“.
Der Film stellt verschiedene Musiker und Bands aus Cairo vor und zeigt sie bei der Arbeit und bei Live-Auftritten. Gemeinsam suchten wir sämtliche Tracks und Songs aus dem Film zusammen. Nur einen Song konnten wir nicht finden; weder auf der Tracklist des Films noch bei intensivsten Internetrecherchen. Es war ein elektronisches Stück mit einer wunderschönen, fern-abwesenden, intensiven Frauenstimme, die immerzu flüsterte „Anta al Hawa“ (Du bist der Wind). Irgendwann haben wir aufgegeben und mein ägyptischer Freund schnitt das Stück einfach als Soundfile aus dem Film heraus für mich.
Vor ein paar Tagen habe ich durch Zufall endlich die Sängerin dieses tollen Songs gefunden. Yasmine Hamdan heißt sie, und kommt aus Beirut. Und am Freitag hatte ich das große Glück, sie im wunderschönen Hamburger Nochtspeicher live erleben zu können.
Dem breiteren Publikum ist Yasmine Hamdan seit Kurzem vielleicht bekannt aus ihrem kleinen Cameo-Auftritt in Jim Jarmuschs letztem Film Only Lovers Left Alive (großartiger Film, übrigens!). Tatsächlich macht sie aber schon seit über zehn Jahren Musik. Mit Indie-Projekten wie Y.A.S. und Soapkills ist sie in den arabischen Ländern schon lange erfolgreich.
Ich war unsicher, was oder wen ich im Nochtspeicher zu erwarten hatte. Arabische Musik, die nicht unbedingt in die grauenvolle Kategorie „Weltmusik“ fällt, ist ja nun nicht gerade ein Publikumsmagnet in Deutschland. Umso überraschter war ich, dass das Hamburger Konzert ausverkauft war. Das Publikum rangierte von Hipstern und jungen Menschen meines Alters bis hin zum (seltsam…) klassischen Bildungsbürger spätmittleren Semesters in Tweed und Stöckelschuh. Man trank Wein und Aperol Spritz, alles etwas schräg.
Yasmine Hamdan schien das nicht so richtig zu interessieren. Klein, zierlich und unfassbar sexy kommt eine schöne Frau zusammen mit ihren 3 Musikern auf die Bühne und liefert von der ersten Sekunde an ein energiegeladenes Rock n Roll-Feuerwerk der Extraklasse ab. Dass die meisten Leute zwar sichtlich angetan, aber eben typisch deutsch nur vor der Bühne stehen, wohlwollend mit dem Kopf wippen und brav am Ende der Songs applaudieren, anstatt zu tanzen und sich von der großartigen Musik mitreißen zu lassen, irritiert die Band scheinbar nicht. Mich stört’s schon ein bisschen, wie immer, aber wir lassen uns den Spaß nicht verderben und tanzen, jubeln und feiern einfach für uns und mit Yasmine.
 Die Stücke, die ich mir inzwischen auch auf der aktuellen CD Ya Nass angehört habe, sind für den Auftritt neu arrangiert und instrumentiert. Während das Album recht ruhig und melancholisch daher kommt, steigern sich die Songs live in wahre Klangorgien. Yasmine flirtet, meditiert, leidet und feiert jede Silbe, die sie singt und transportiert in ihrer Sinnlichkeit und dank ihrer rauen, tiefen Stimme eine Energie, die man bei Konzerten nur ganz selten erlebt.
Mich persönlich berühren die Songs derart, dass mir mehrmals die Tränen kommen. Meiner Begeleiterin, die übrigens kein Arabisch spricht, ging es genauso, was ja nur heißen kann, dass Yasmine Hamdan sich auch so verständlich macht, durch ihre Aura, durch ihre Musik und ihre Präsenz.
Eins der besten Konzerte, das ich seit Langem erlebt habe – ich bin verliebt!
Und ich hoffe, mein ägyptischer Freund liest das jetzt – Hey Amin, ich hab den Song gefunden!!
Das Magazin CEO Middle East hat kürzlich eine Liste der 100 mächtigsten arabischen Frauen vorgelegt. Eine interessante Liste, keine Frage, gut durchmischt was Herkunft, Alter und Betätigungsfeld der Frauen angeht. Neben Frauen aus Kultur und Kunst sind auch erfreulich viele – sogar mehr als 50% – Vertreterinnen aus Wirtschaft, Forschung und Politik vertreten.
Nichts desto trotz fehlt mir bei der Liste vor allem eines – ein Kriterium für die Definition der so genannten „Macht“ oder eine Erklärung; was soll das genau bedeuten? Geht es darum, einen möglichst hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen, wie beispielsweise die Nobelpreisträgerin Tawakkul Karman, die es zwar in diesem Jahr auf Platz 2 der Liste geschafft, in den Jahren zuvor aber überhaupt keine Beachtung gefunden hat, obwohl ihr Engagement (was ja auch die Nobel-Auszeichnung zeigt) sich bereits über viele Jahre zieht. Oder geht es darum, möglichst viele Menschen mit seiner Arbeit zu erreichen, wie die Sängerin Fairouz (Platz 13), oder weil man einem Wirtschaftsunternehmen mit möglichst vielen Mitarbeitern und einem Millionenschweren Jahresumsatz vorsteht wie Lubna Olayan (Platz 3), die eine Finanzdienstleitungsfirma in Saudi-Arabien führt? Weiterlesen
Je stärker der Druck zu schweigen, je kreativer und lauter die Stimmen. In Syrien produziert der Aktivist Jameel seit November die Fingerpuppenshow „Top Goon“ – Tagebuch eines kleinen Diktators. Hauptfigur ist Beeshu (unschwer zu erkennen, wer hier gemeint sein könnte).
Klassisches Kabarett mit Fingerpuppen als Form des Protests? Warum? „Wir brauchen nicht noch mehr Bilder von blutenden, sterbenden Menschen, wir müssen den Leuten Mut machen. Und wir müssen das Regime der Lächerlichkeit preisgeben.“ Dass die Opfer der Proteste nicht nur Zahlen, sondern Menschen sind, das will er zeigen, weil er selbst schon Freunde verloren hat in den letzten Monaten.
Inzwischen produziert Jameel, der mit dem Projekt „Top Goon“ sein Leben riskiert, seine Clips in der Türkei. „In Syrien ist es schon gefährlich, ein Telefon mit Kamera zu besitzen – geschweige denn ein ganzes Kamerateam.“
Was ich an Berlin unter anderem so mag, ist die Tatsache, dass man vor allem am Wochenende selten weiß, wie und wo ein Abend endet, wenn man irgendwann das Haus verlässt. Mit anderen Worten: Lass dich überraschen!
Gestern war ich auf Anraten von Freunden im Haus der Kulturen der Welt zum Meeting Points 6 Festival of Arab Arts, um unter anderem einer Podiumsdiskussion mit Adania Shibli und Ahdaf Soueif zuzuhören und ein bisschen Kunst zu sehen. Habe ich dann auch gemacht, war toll und spannend – mehr dazu hier demnächst!
Wie das so ist, trifft man dann vor Ort aber Freunde, die dann für den weiteren Abend noch andere spannende Dinge geplant haben. Ich hab mich dann einfach mitnehmen lassen ins HAU 1 zum Tanztheater „Hell on Earth“. „Ich weiß auch nicht so genau, was das ist, aber soll super sein!“, sagt die Freundin, die mich ins Schlepptau nimmt. Ausverkauft – interessiert uns nicht, wir gehen trotzdem und haben Glück! Und ZUM GLÜCK!
Vor ein paar Wochen hatte ich noch einmal kurz über Manal Al-Sharif geschrieben, und darüber, dass die Aktion „Women 2 Drive“ ins Stocken geraten und die Facebook-Seite von Manal Al-Sharif etwas stiller geworden zu scheint. Und prompt erscheint Manal Al-Sharif in ganz großem Rahmen wieder in der Öffentlichkeit. Im Nachhinein war die zeitweise Verstummung wahrscheinlich dem Ramadan zuzuschreiben, wo die Leute sich eher zurück ziehen, Zeit mit der Familie verbringen, usw.
Jedenfalls – Am Sonntag trat Manal in der saudischen (!) TV-Sendung Eda’at auf, wo sie fast eine Stunde lang dem Moderator Turki Al-Dakheel von der Initiative, von ihrer Verhaftung und ihrer Hoffnung für die Zukunft der Frauen in Saudi Arabien erzählt. Es ist ihr erstes Interview überhaupt.
Das Interview ist zu lang, es hier komplett zu übersetzen, daher hier nur eine kurze Zusammenfassung.
Vor ungefähr einem Jahr habe ich aus ja mittlerweile bekannter Liebe zur schönsten Stadt der Welt den Film Cairo Time reingezogen. Auf DVD, bei einer Freundin. Der Film war damals noch nicht in Deutschland erschienen, und nach ungefähr einer halben Stunde Film war mir auch klar, dass selbst ich, die sich leidenschaftlich alles einverleibt, was auch nur irgendwie mit arabischem Krimskrams zu tun hat, dass selbst ich nach ebendieser halben Stunde wütend das Kino verlassen hätte.
Nun erscheint der Film doch noch in Deutschland, wie ich eben lese. Wahrscheinlich hat sich im Zuge des ganzen Interesses durch die Revolution doch noch ein Verleih gefunden, der dieses Stück Ramsch hierzulande vermarkten will.
Vor einigen Monaten schickte mir eine ägyptische Freundin aus USA diesen Clip:
Es handelt sich um die Vertonung eines Gedichtes von Mahmoud Darwish, عن إنسان – Über einen Menschen. Die Stimme, die Melodie und Darwishs ewig schöne Worte haben mich völlig vom Hocker gerissen. Beim ersten, zweiten, dritten Hören sind mir immer wieder die Tränen gekommen, so schön, so traurig, so unglaublich fand ich das Stück.
Nachdem vor ca zwei Monaten die Kampagne „Women 2 Drive“ in Saudi Arabien ins Leben gerufen wurde, und kurz darauf ihre Initiatorin Manal AlSharif für mehrere Tage in Haft blieb, ist es still geworden um die Kampagne und die Frage, ob Frauen nun fahren dürfen oder nicht.
Manal AlSharif selbst scheint nach ihrer Haft eher verhalten, äußert sich nicht mehr öffentlich zu dem Thema und betont nur immer wieder, dass sie nie jemanden habe verletzen wollen. Andererseits hört man aus Saudi Arabien selbst immer wieder, dass immer wieder einzelne Frauen hinter’m Steuer gesehen werden, und dass ihnen – erfreulicherweise – kaum jemand negative Beachtung schenkt.
Vielleicht ist das der Weg – die sanfte Veränderung, sodass sich die Öffentlichkeit langsam an das Bild gewöhnen kann. Ich sage: Ran an’s Steuer, meine Damen, und zeigt’s den Posern in ihren Audis 🙂