Gestern schickte mir eine Freundin einen Link zu einem sehr amüsanten Artikel in der HuffPost, mit dem schönen Titel „Don’t date a girl who travels“, mit dem augenzwinkernden Hinweis, ich möge diesen doch dann einfach in Zukunft den Männern vorlegen, die in mein Leben stolpern.

Der Artikel rät – ebenfalls augenzwinkernd, nehme ich an- Menschen davon ab, sich auf eine Frau einzulassen, die viel und gern und exzessiv reist, denn diese Frauen sind gnadenlos unabhängig, geben ihre ganze Kohle für Flugtickets aus, sind schnell gelangweilt von Routine und geben allzu schnell ihrem Freiheitsdrang nach. Ich musste ziemlich lachen, treffen doch all diese Dinge, die dort aufgezählt werden, auf mich zu.

Mir ist das Lachen dann aber doch ein bisschen im Halse stecken geblieben, als ich so über mich und die Männer in meinem Leben nachdachte. Denn tatsächlich habe ich bislang die meisten und auch schönsten Reisen mit einer meiner besten Freundinnen unternommen.

Es ist erstaunlich, dass es mich, obgleich vor allem meine engen Freundschaften vor allem aus Menschen gemischten kulturellen Hintergrunds bestehen, und aus Menschen, die schon von Klein auf viel und oft in der Welt unterwegs waren, die reisen und viele Sprachen sprechen, die mir also sehr ähnlich sind, es mich bei Männern aber dann doch immer zu solchen hinzieht, die sich von diesen sehr wichtigen Aspekten meiner Persönlichkeit so radikal unterscheiden.

Sie kommen aus intakten, monokulturellen Kontexten, sind fest verwurzelt und verhaftet auf ihren 10 Quadratmetern Welt, und obgleich keiner von ihnen durch und durch spießig oder bewegungsfaul oder nicht neugierig war, so bleibt ein echtes Verstehen, ein Erfassen, ein „Mitgehen“ doch irgendwie immer aus.

Warum ist das so, frage ich mich. Warum haben es Menschen, die sich wahlweise als „Weltenbummler“, „Third-Culture-Kid“ oder „Nomaden“ verstehen, so schwer, einen Partner zu finden, der ihnen entspricht und ihr Tempo mitgeht? Oder auch – sucht man am Ende doch in seinem potenziellen Lieblingsmenschen das genaue Gegenteil von sich selbst, um etwas zu kompensieren, was man aus sich selbst heraus nicht findet? Also Abenteuer auf der einen Seite, und Ruhe und Stetigkeit auf der anderen – auf meiner- Seite. Und kann man überhaupt eine Balance finden? Wie weit dürfen die Unterschiede gehen, um wirklich einer Liebe eine Chance einzuräumen, und inwieweit muss man sich vielleicht doch in einigen grundlegenden Eigenschaften und Haltungen ähneln? Macht vor allem Männern diese radikale Unabhängigkeit doch am Ende Angst? Sind die meisten Menschen tatsächlich so wenig neugierig oder mutig, sich von ihren 10 Quadratmetern Welt runter zu wagen?

Ein Freund, der ebenfalls einen arabischen Vater und eine deutsche Mutter hat, und der sein Leben auch praktisch und beruflich zwischen diesen zwei Welten aufteilt, klagte mir vor Kurzem sein Leid, dass er einfach keine Frau findet, die diese beiden Seiten wirklich versteht und nachvollziehen kann. Eine Klage, die ich schon oft gehört habe von anderen Third-Culture-Kids. Denn irgendwie gibt es nach anfänglicher Aufregung und Neugier auf die Welt des anderen dann doch immer dieses bisschen (oder auch mehr) Irritation und eine Schwierigkeit, sich einzulassen auf einen Menschen, den es immer und beständig so sehr in die Ferne zieht.

Bis ich all diese Fragen abschließend für mich geklärt habe, gilt es wohl, einfach weiter auszuprobieren und zu testen, ob es nächstes Mal vielleicht doch passt. Und eben weiter mit meiner besten Freundin die Welt bereisen. Sie ist übrigens zu 50% Französin und spricht 4 Sprachen (5, wenn man Schwäbisch mitzählt) Und einstweilen: Bewerbungen für den nächsten potenziellen Reisebegleiter gern über die Kontaktseite 😉  …

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Zu allererst eine Vorwarnung: Dies ist kein objektiver Bericht, keine neutrale Analyse. Was nun folgt, ist sehr persönlich, eine Liebesgeschichte von epischem Ausmaß. Eine Geschichte, die kürzlich jemand „deine Cairomance“ genannt hat.

Wen also harte Fakten, objektive Analysen und kreischende Nachrichtensensationen interessieren, sollte genau jetzt aufhören zu lesen.

Für alle anderen – This is about me and my Cairomance.

Sonne, Hitze, Staub, dreckige Füße, Schwarz unter den Nägeln, Menschen über Millionen von Menschen, nie auch nur eine Minute Stille, Licht, elektrisches und natürliches, der Geruch nach Bleiche, chemischem Insektengift und süßlichem Waschpulver. Staub auf frisch gewaschener Wäsche, Sandwiches mit gegrillter Leber für 45 Cent, Autohupen, das den Gebetsruf zu jeder Tages- und Nachtzeit übertönt. Menschen, die dir ständig und zu jeder Zeit ihre Lebensgeschichte erzählen, so oft, dass es auffällt, wenn ein Taxifahrer mal die Klappe hält. Gechlortes Duschwasser und brüchige Haare, ein Fluss mitten in der Stadt, über den man tagtäglich mehrmals fährt, mit dem Taxi, oder unten durch mit der Metro, und jedes Mal denkt: „Verdammt, der NIL!“

Nachts, ganz spät, auf dem Dach des Zamalek Hotel, der Ort staubig, runtergekommen, auf den Gängen die Zementsäcke, der Wandbruch, die Bilder noch aus Nassers Zeit, Zeit ist kein Faktor hier, ist stehen geblieben, irgendwo zwischen Wille und Vorstellung, zwischen Traum und Trümmer.

Das Dach mit der Bar, Bier und Shisha, unter löchrigen Netzen und Baldachinen, die gespannt sind, Wind, oben über der Stadt, und es ist trotzdem noch laut und heiß.

Vom Fluss her lärmen die Boote mit den Feiernden, und auf dem Dach, da reden sie über Kunst und Fußball und Politik und fühlen sich ein paar Stunden lang frei.

Dann setzt der Regen ein, leicht, und warm, nieselig, durch die Löcher im Baldachin, auf dem Boden Staub und Asche, glückliche Gesichter in den Stühlen, Beseeltheit, Poesie und Mystik, Erbschaft und Geschichte. Nach Hause laufen in dem leichten Niesel, beseelt und voll mit Leben.

Luft, die nach Abgasen und gegrilltem Fleisch, süßem Tabak und Stadt richt, Falafel und Foul an der Straße, alles unter einem Euro, Cafés, in denen 24/7 Fußball läuft, egal welches Land, egal welche Liga. „Welcome, welcome to Eeee-jibt“, man hört es täglich zehnmal und mehr. Stadt im Dauerstau, Autofahrten am Rande der Todesgefahr, Lebenslust und Mut und Humor, egal wo man hinschaut. Tanzen bis Nachts um fünf in der ersten Disko der Stadt, irgendwas zwischen deutschem Gasthaus, linker Eckkneipe und Jazzschuppen aus den 60ern, die Band spielt mit 6-9 Instrumenten, Traditionelles und Eigenes, die Mischung zwischen Livemusik, Habibi-Pop und Dance-Trash aus dem Westen, und alle rasten aus und fühlen sich wohl. Altersdurchschnitt: 25-65. Und keinen stört’s .

Abgeblätterte Farbe, ausgetrocknetes Holz, jahrealter Staub auf noch älteren Autos. Meer aus Satellitenschüsseln, graubraune Hauswand, die mit der braungrauen Luft verschmilzt. Abende, die langsam kühler werden,

Klimaanlagen, die einen steifen Nacken und einen rauen Hals machen.

Neues auch, Menschen, die plötzlich über Politik reden, Wände ansprühen, keine Angst mehr haben. Parolen überall, auch Resignation dazwischen, und überall die ungebrochene Freundlichkeit über allem.

Cairo mon amour, was soll ich sagen. Die Angst, es könnte anders oder weniger oder fremder sein als vor 2 Jahren, war völlig unbegründet. Hier ist mein Herz, hier ist Bewegen leicht. Die Stadt will nicht mit mir kämpfen, nicht wie Berlin, sie ist einfach da, und scheint zu sagen: „Mach du mal“.

Und über allem der tiefe Wunsch, einfach zu bleiben.

To be continued….Dann auch mit Bildern, bei hoffentlich besserer Internetverbindung.

 

West-östliche Diva